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Die verlorenen Pferde – verschwunden, tot und manchmal auch verstümmelt

 

Pferderipper gibt es schon lange. Immer wieder gibt es Berichte über Pferde – überwiegend Stuten – die auf der Weide zumeist an den Genitalien verletzt werden. Manchmal auch so schwer, dass sie nicht mehr zu retten sind. Und auch Pferdediebe gibt es, seitdem Pferde domestiziert wurden. In früheren Zeiten wurde mit Pferdedieben nicht lange gefackelt – im Zweifelsfall wurden sie am nächsten Baum aufgeknüpft. Damals war das Pferd (über-) lebensnotwendig. Heute hat ein gestohlenes Pferd als Sachgegenstand in etwa denselben Stellenwert wie ein geklautes Fahrrad. Dies kommt einer neuen Art von Tätern zu Gute, die seit rund 18 Monaten in Deutschland (und anderen europäischen Ländern) ihr Unwesen treiben: Pferde werden nicht nur klassisch geklaut, sondern entweder vor Ort getötet und verstümmelt – oder sie verschwinden für bis zu 3 Wochen und tauchen dann unvermittelt in unterschiedlichen Verwesungszuständen tot in unmittelbarer Nähe ihres Heimathofes wieder auf. Für die Besitzer der blanke Horror. 

 

So auch für mich: meine 22-jährige Stute Raggazza wurde in Beverungen-Drenke, wo sie ihre wohl verdiente Rente verbringen sollte, am 29.06.2020 morgens zwischen 9.30 und 10.15 Uhr tatsächlich von ihrer Weide entführt. Es begann sofort eine Suche bis zu den Abendstunden: mehrere Autos suchten die Umgebung in einem Umkreis von rund 15 Km ab, nachmittags wurde eine Drohne mit Wärmebildkamera eingesetzt, die nochmals alles absuchte – vergebens. Keine Spur von Raggazza. Am darauffolgenden Morgen wurde sie morgens tot im Straßengraben gefunden – genau 30m von der rettenden Hofeinfahrt entfernt. Offensichtlich absichtlich angefahren und dann sterbend im Graben liegen gelassen. Der Täter hatte, so zeigten es die Spuren, in der Hofeinfahrt in aller Seelenruhe gewendet und war dann weg gefahren. Er wurde nie ermittelt.

 

Als ich erfuhr, dass sie weg ist, war mir sofort klar, dass sie nicht weggelaufen ist, sondern gestohlen wurde. Ich hatte dieses Pferd 18 Jahre lang und kannte sie in- und auswendig. Sie stand mit ihrem besten Kumpel auf der Weide; sie hätte ihn nie zurück gelassen. Bis nachts habe ich mit Polizei, Pferdeschlachtern, Zoll, Grenzschutz sowie sämtlichen Grenzübergängen nach Polen telefoniert – ohne Ergebnis. Seitdem weiß ich aber, dass an den innereuropäischen Grenzen kein einziger Pferdetransporter kontrolliert wird – egal, ob 2 oder 20 Pferde darauf stehen.

 

Eine Freundin suchte für mich bei Ebay-Kleinanzeigen; sie wusste von einem Fall, wo Jemand sein Pferd darüber bei einem Händler wiederfand. Nichts. Dann kam Facebook ins Spiel: Suchanzeige auf meinem Profil, in sämtlichen Gruppen, die zum Thema passten. Und beim Aktionsbündnis Pro Pferd (auf FB "Notruf Pferd"), das sofort auch seine Reichweite einsetzte. So wurde "Equitrans" auf mich und die verschwundene Raggazza aufmerksam. Dahinter steckt das Ehepaar Conny und Coen, die sich dem Tierschutz verbunden haben und durch Raggazza auf dieses wie wir da noch glaubten neue Phänomen aufmerksam wurden. Sie setzten ihrer Reichweite ein – auch ohne Ergebnis.

 

Nachdem Raggazza gefunden war, war für mich klar: Das ist nicht das Ende. Ihr grausamer Tod war für mich Auftrag, nach den Tätern zu suchen. Nach kurzer Zeit musste ich feststellen, dass ich bei weitem nicht die einzige Betroffene bin. Hier nur ein kleiner Auszug:

 

Rund eine Woche nach Raggazza tauchte die Stute Piko wieder auf, die 3 Wochen verschwunden war. Sie lag tot in einem Entwässerungsgraben zwischen zwei Feldern, nur rund 300 Meter von ihrem Stall in Lübbecke entfernt. Sie war allerdings schon so stark verwest, dass nicht mehr festgestellt werden konnte, ob Körperteile fehlten und wie sie ums Leben gekommen ist.

 

Im Oktober wurde in Dorsten die 22-jährige Stute Bahila direkt an ihrem Offenstall zunächst getötet. Dann wurden ihr die Vagina, das Euter, ein Auge sowie das rechte Ohr entfernt. Die Körperteile fehlen.

 

Ebenfalls im Oktober 2020 verschwand die blinde Norweger-Stute "Surprise" von ihrer Weide in Sörup (SH). Die Besitzer entdeckten das Fehlen, als sie die insgesamt 3 Ponys abends von der Weide in den Stall holen wollten.  Von Surprise fehlte jede Spur. Die hinzu gerufene Polizei meinte, Surprise sei weggelaufen. Pferdekenner wissen: ein blindes Pferd bewegt sich nie allein aus seiner gewohnten Umgebung, schon gar nicht ohne "Geleitschutz"

 

Gemeinsam mit Freunden und Familie begannen die Besitzer, nach Surprise zu suchen. Dabei entdeckten sie Reifenspuren von einem Anhänger samt Zugfahrzeug, Fußspuren, Zigarettenstummel. An einer Stelle des nahgelegenen Bachs wurde augenscheinlich versucht, ein Pferd hineinzuführen. Von Surprise jedoch weiter keine Spur. Erst am nächsten Morgen wurde die 27-jährige Ponystute völlig entkräftet in einem 60cm tiefen Moorgraben gefunden. Vier Stunden später konnte die Feuerwehr das Pferd endlich aus dem Graben bergen. Der Tierarzt musste die Stute mehrfach reanimieren. Surprise überlebte. Doch der Vorfall hat Spuren hinterlassen. Durch eine Blutanalyse wissen wir, dass Surprise stark sediert worden war. Die verwendete "Mischung" lässt darauf schließen, dass Profis am Werk waren – das war kein Zufallsprodukt, sondern bewusst zusammen gestellt.

 

Bereits im Herbst 2019 ereignete sich ein besonders perfider Fall in Süddeutschland: In einem kleinen Privatstall wurde einem Hengst bei lebendigem Leibe das komplette Blut abgezapft und zusätzlich ein großes Stück Fleisch aus dem Oberschenkel herausgetrennt. Das Pferd lebte noch, als seine Besitzerin es fand….

 

Am 22. Dezember 2020 wurde bei Itzehoe ein Islandpony von einem Zug erfasst und starb. Morgens um 7.45 Uhr. Angeblich allein von einer Weide entlaufen, auf der 4 Isländer standen. Schwer vorstellbar, dass das Pony sich keinen Zentimeter zur Seite bewegte, als der Zug kam. Die Vermutung liegt nahe, dass auch dieses Pferd sediert war. Leider gab es zu dem Besitzer keinen Kontakt, so dass wir hier keine weiteren Infos haben.

 

Inzwischen sind allein in Deutschland rund 60 Fälle aus den letzten 15 Monaten bekannt. Nicht alle endeten tödlich, aber leider viele. Hinzu kamen zahlreiche sonderbare Vorfällen:

 

Dazu gehört, dass immer sehr ähnliche Personen an verschiedenen Ställen (bevorzugt Offenställe, kleinere private Ställe, abe rauch reitanlagen waren betroffen)  bundesweit beobachtet wurden, die unerlaubt fremdes Eigentum betraten (Stallanlagen oder Weiden) und entweder Pferde fotografierten oder sehr intensiv nach Verkaufspferden fragten, obwohl keine Pferde zum Verkauf angeboten wurden. Darüber hinaus wurden zahlreiche Fahrzeuge gesichtet, die vor allem Offenställe, aber auch Reitanlagen offensichtlich beobachteten und auskundschafteten. Interessanterweise gab es viele Kennzeichen, die behördlich nicht registriert sind – und dasselbe Kennzeichen wurde an verschiedenen Fahrzeugen gesichtet…

 

Häufig sind Paare unterwegs; immer wieder werden aber auch zwei blonde Frauen gesichtet, deren Beschreibungen sich ähneln. Es wurde aber auch schon mehrfach eine mehrköpfige Familie mit Kindern deutlich unter 10 Jahren auf Koppeln beobachtet, auf denen sie nix zu suchen hat – vor allen Dingen nicht nachts um 12!

 

Eine Masche scheint auch zu sein, sich als Schrotthändler auszugeben. So können Fremde auf die Höfe fahren, diese auskundschaften und - sofern sie angesprochen werden – dann nach Schrott fragen.  

 

Immer wieder wird im Zusammenhang mit diesen Sichtungen von seltsamen grünen und roten Lichtern berichtet. Dabei kann es sich um elektronische Geräte handeln, die Kameras aufspüren – und diese auch ausschalten können. Zum Teil sicher auch Nachtsichtgeräte.

 

Es kam aber auch zu anderen seltsamen Vorfällen:

 

Pferde waren morgens in vertauschten Boxen, Halfter hingen ordentlich an Ort und Stelle. Oder liefen frei im Stall / auf der Anlage, obwohl alles am Abend ordentlich verschlossen worden war.

 

Pferde liefen nachts (oder auch tagsüber) über Landstraßen oder Autobahnen. Ein besonders schlimmer Fall ereignete sich im Herbst 2020, als 14 Pferde aus einer gesicherten Koppel (auf der sie schon seit Jahren standen) "ausbrachen" und anscheinend in voller Panik auf die Autobahn A14 liefen, einige sprangen sogar über die Mittelleitplanke. Dort ereigneten sich mehrere Unfälle, drei Pferde mussten ihr Leben lassen. Wie durch ein Wunder starben keine Menschen.

 

Pferde verschwanden von ihrer Koppel und wurden entweder in einiger Entfernung (rund 10 bis 15km) wieder gefunden (ohne äußere Anzeichen einer Verletzung) – oder kamen in völliger Panik nach Hause zurück, zumeist einen Tag später. Wo waren diese Pferde? Wieso entfernt sich ein Pferd plötzlich von seiner Herde 15km weit? Wir wissen es nicht.

 

Und immer wieder gab und gibt es den so genannten "plötzlichen Weidetod": Junge, aber auch ältere Pferde, die plötzlich tot aufgefunden werden. Ohne offensichtliche Verletzungen. Oder ein weiteres Beispiel: Sechs Stuten werden morgens frei laufend auf dem Hofgelände vorgefunden, irgend Jemand muss sie aus ihren Boxen gelassen haben. Ein Stute weist eine etwa Tellergroße, oberflächlich anmutende Verletzung in der Gurtlage auf. Die Wunde wird vom Tierarzt begutachtet und versorgt. Danach geht es der Stute stündlich schlechter, im Verlauf von nur einem halben Tag läuft ihre Lunge voll Flüssigkeit. Nach 24 Stunden ist die Stute nicht mehr zu retten.

 

In Deutschland sind wir noch verhältnismäßig "gut" dran. Betroffen sind, wie wir inzwischen wissen, viele westeuropäische Länder. Nach Osten ist die Sprachbarriere zu groß, hier wissen wir leider gar nichts. Besonders hat getroffen hat es Frankreich: Bis Februar gab es dort innerhalb von 15 Monaten 500 (!!!) tote Pferde, zuletzt jeden Tag eines. Jedes Alter ist betroffen, auch vor Fohlen oder Oldies wird kein Halt gemacht.

 

Die große Frage nach dem Warum

 

Haben wir uns mehr als ein Mal gestellt. Schlichte Antwort: Wir wissen es nicht. In Frankreich hat ein Polizeipräsident in aller Öffentlichkeit die Vermutung geäußert, dass es sich um eine Internet Challenge aus dem Darknet handeln könnte. Quasi Ice Bucket Challenge für Hinrkranke: Wer ein Pferd am perfidesten tötet / verletzt, der gewinnt. Darauf gibt es tatsächlich Hinweise, mehr aber auch nicht.

 

Sicher ist, dass dies keine Zufälle sind. Und wir sind uns sehr sicher, dass zumindest Pferdekenner mit dabei sind. Denn wie sonst lässt es sich erklären, dass Fremde auf einer Koppel ein fremdes Pferd einfangen und von seiner Herde trennen, ohne dass es bemerkt wird, oder an Ort und Stelle töten und mit sauberen Schnitten Körperteile abtrennen?

 

Wir haben uns auch schon mit Psychiatern in Verbindung gesetzt: Etwa 10% aller forensischen Patienten sind Sadisten, davon wiederum 10-15% Frauen. Und um die teils angewandte saubere Schnitttechnik zu erlernen, reicht ein Praktikum in einer Großschlachterei aus. Wenn ich übrigens von "wir" spreche, so meine ich das Aktionsbündnis Pro Pferd, das sich des Themas angenommen haben und jederzeit ansprechbar ist (www.propferd.org oder auf FB unter Notruf Pferd).

 

Sollte die Vermutung einer Internet-Challenge nicht völlig aus der Luft gegriffen sein, könnte es durchaus sein, dass es unterschiedliche Stufen in diesem "Wettbewerb" gibt.