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Misstände in der Pferdehaltung - nur eine Sache von Freizeitreitern?

Vor einiger Zeit fand ich in einem deutschen Pferdefachmagazin die Aussage, dass Missstände in der Pferdehaltung wohl vorwiegend ein Problem der Freizeitreiter darstellten. Hintergrund war die Feststellung, dass Missstände in der Pferdehaltung auf Platz zwei rangieren – hinter Rindern, aber noch vor (!!!) Schweinen und Schafen. Dies stellte jedenfalls Edgar Schallenberger so dar, seines Zeichens Vertrauensmann für Tierschutz in der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein.

 

 

 

Aus meiner Sicht bewegt sie sich mit dieser Aussage auf ganz dünnem Eis. Die Aussage, dass Sportreiter hingegen in aller Regel ihren Pferden die allerbeste Betreuung zukommen lassen, kann ich so nicht stehen lassen. Ich reite selbst seit über 40 Jahren und habe berufsbedingt Ställe in mehreren Bundesländern kennen gelernt.

 

 

 

In einer großen Reitanlage (100 Stellplätze) gab es Heu nur für die Pferde, die schon mindestens drei Koliken hatten – alle anderen mussten sich mit minderwertiger Heulage begnügen. In diesem Stall kamen innerhalb von nur einem Jahr 12 (!!!) Pferde zu Tode -10 wegen Kolik (!!!), zwei weitere wurden überfahren – die Zäune waren mangelhaft gesichert….

 

 

 

Dann gab es auch einen Stallbetreiber, der sogar dabei gefilmt wurde, wie er abends den Pensionspferden das Heu wieder aus der Box klaubte – das war dann die Portion für den nächsten Morgen…  Oder der Züchter, der seine Jungpferde zu dritt (!!!) in einer 3x3m großen Box hielt. Der Mist in der Box war so hoch, dass die Pferde den Kopf nicht mehr hoch nehmen konnten…. Der hinzu gezogene Amtsveterinär ordnete lediglich ein gründliches Ausmisten an und "empfahl", maximal zwei Pferde pro Box zu halten…

 

 

 

Oder der Pferdezüchter (mit mehr als 20 Stuten), auf dessen Hof erst vier Pferde verhungern mussten, bevor ihm die Pferde weggenommen wurden und er ein dauerhaftes Haltungsverbot auferlegt bekam. Alles keine Freizeitreiter…..

 

 

 

Und natürlich ist es leider in vielen großen Reitanlagen noch heute so, dass Paddocks und Weiden in nicht ausreichender Anzahl und / oder Größe zur Verfügung stehen – oder aber die "Sportpferde" gleich kompletten "Boxenknast" verordnet bekommen – sie könnten sich ja verletzen… Und es ist Gang und gäbe, dass minderwertiges Heu gefüttert und / oder schimmeliges Stroh gestreut wird.

 

 

 

Und wo fangen Missstände an – und wo hören sie auf? Geht es bei der Haltung wirklich nur um die Haltung oder auch um die "Nutzung" des Partners Pferd? Denn da gibt es den Stallbetreiber – selbst bis S-Dressur erfolgreich – der sogar oft noch einmal vom Pferd absteigt, um den Nasenriemen bis zum Anschlag festzuziehen. Da gibt es die erfolgreiche Grand Prix-Reiterin, die bei einem Trainingsaufenthalt ihre Pferde so stark verprügelt, dass Kinder weinend über den Hof laufen – der Stallbetreiber greift nicht ein, um den Kunden nicht zu verlieren.

 

 

 

Nicht zu vergessen die großen Skandale der 90er Jahre: Angefangen vom Barren über Stacheldraht im Maul bis zu Glasscherben unter den Bandagen und zu allerletzt bis zum „Sandmann“, der umging und hoch versicherte Pferde für immer schlafen legte – kein Freizeitreiter käme auf so eine perfide Idee. Darauf kommen nur Menschen, bei denen es ums Geld geht und nicht mehr um den wunderbaren Partner Pferd. Natürlich gibt es auch bei den Freizeitreitern schwarze Schafe – doch die gibt es überall. Übrigens auch bei Polo- und Westernreitern…. Und gedopt wird leider immer noch, in allen Sparten der Reiterei. Der einzige Unterschied ist meiner Auffassung nach: Die Einen schädigen das Pferd wissentlich, die Anderen aus der (immer größer werdenden) Unwissenheit heraus....