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Gedanken zur Pferdezucht - Teil 2

In Deutschland werden jedes Jahr rund 30.000 Fohlen geboren - es ist nicht bekannt, wie viele davon nicht einmal das 3. Lebensjahr erreichen.....
In Deutschland werden jedes Jahr rund 30.000 Fohlen geboren - es ist nicht bekannt, wie viele davon nicht einmal das 3. Lebensjahr erreichen.....

Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 3.642 Reitpferde-Zuchthengste (Vorjahr: 3.947) sowie 64.824 Reitpferde-Zuchtstuten (Vorjahr: 68.265) mit insgesamt 29.532 Reitpferdefohlen (Vorjahr: 32.158) neu registriert (aus: "Die deutsche Reitpferdezucht – aktueller Stand und wirtschaftliche Bedeutung erschienen in: Berichte über Landwirtschaft, Band 91, Heft 1, Mai 2013 von Wilfried Brade, Hannover).

 

 3.600 Hengste bei rund 30.000 Fohlen – das macht durchschnittlich 8,3 Bedeckungen für jeden Hengst. Bei einer durchschnittlichen Decktaxe von 800 Euro ergibt das einen Umsatz von rund 6.600 Euro - pro Hengst.

 

 

In der Reitpferdezucht dominiert bereits seit einiger Zeit die künstliche Besamung, es gibt immer weniger Hengste, die im Natursprung decken. Im Trend liegt darüber hinaus auch der Embryo-Transfer, so dass aus einer Stute während eines Jahres mehr als ein Fohlen gezogen werden kann. Immer wieder wird von Problemen bei der Samenqualität einzelner Hengste oder auch bestimmter Deckstationen berichtet; es ist üblich, dass aus einer Portion Hengstsamen mehrere Besamungsportionen hergestellt werden. Empfohlen wird eine Verdünnung von 1 (Samen) : 3 (Verdünner, s. "Reproduktionsmedizin beim Pferd: Gynäkologie - Andrologie – Geburtshilfe", S. 311, herausgegeben von Christine Aurich); es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass einige Hengsthalter dazu geneigt sind, deutlich mehr Portionen aus einem Ejakulat zu gewinnen.

 

 

 

Dem Verdünner  ist häufig auch ein Antibiotikum zugesetzt. Hieraus resultieren meiner Ansicht nach gleich mehrere Probleme: Antibiotika können die Bildung von Hefepilzen begünstigen; bei der Verdünnung des Hengstsamens wird der Darwinismus ("Survival oft he Fittest") ad absurdum geführt – statt des einen, besten und schnellsten Spermiums, kommen sechs, acht oder mehr Spermien "zum Zuge". Als Vorteile für die künstliche Besamung werden immer wieder die stark verringerte Verletzungsgefahr und das verringerte Infektionsrisiko genannt.

 

Außerdem kann der Züchter den Hengst unabhängig von der räumlichen Entfernung auswählen und der Hengst kann – neben seinem "Deckgeschäft", das zumeist auf dem Phantom erfolgt – einem weiteren Beruf nachgehen, also im Sport eingesetzt werden. Dies  ist für mich auch das einzige Argument pro künstliche Besamung. Ich habe meine Stute allerdings immer im Natursprung decken lassen. Es ist auch nie etwas passiert – weder Stute noch Hengst haben sich verletzt oder infiziert…

 

 

Die letzte Zucht, die sich vehement weigert, künstliche Besamung zuzulassen, ist die Vollblutzucht. Hier ist es tatsächlich so, dass Nachkommen, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, für Rennen nicht zugelassen werden. Schauen wir auf die Zahlen: Im Jahr 2015 waren beim Direktorium für Vollblutzucht und Rennen in Deutschland 1.450 Zuchtstuten und gerade einmal 56 Hengste registriert, die für 864 Fohlengeburten verantwortlich zeichneten – dies bedeutet 25,8 Bedeckungen pro Hengst (Quelle: Turf Times, Zahlen des deutschen Galoppsports 2015).

 

 

Bei den Vollblütern werden dazu wesentlich höhere Decktaxen verlangt als in der Warmblutzucht… und sehr oft können auch gute Preise für den Nachwuchs erzielt werden. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass Vollblüter ja auch für Rennen gezogen werden, in denen das große Geld lockt. Aber ist es nicht so, dass auch jeder Warmblutzüchter zumindest davon träumt, den nächsten Olympiasieger im Stall zu haben?

 

 

Und wer denkt schon darüber nach, was mit all den Warmblutfohlen passiert, die nicht der Norm entsprechen – was auch immer "Norm" bedeutet. Ich selbst habe ein Fohlen vermittelt, dass halb blind geboren wurde – der Züchter wollte es schlachten (schlachten, nicht einschläfern!) lassen… Bei größeren Züchtern ist es durchaus üblich, dass bereits vor dem Absetzen das erste Mal "selektiert" wird – diese Züchter verkaufen aus Prinzip keine Freizeitpferde….

 

 

Ist es tatsächlich notwendig, dass Fohlen produziert werden, die maximal sechs Monate zu leben haben? Deren Zahl erhöht sich übrigens drastisch, wenn man die ganzen Haflinger-Fohlen dazu rechnet, die jedes Jahr zum Schlachter wandern. Entweder stammen sie aus der Stutenmilch-Produktion – oder von den Ferienhöfen, wo sie zur Unterhaltung der Ferienkinder  "dienten" – und am Ende der Saison tatsächlich "ausgedient" haben. Sehr zu empfehlen ist dazu die ZDF-Dokumentation "400 km für ein Fohlen" aus der Reihe 37° - aber Achtung! Einige Szenen sind nix für schwache Nerven!

 

 

Wäre es nicht sinnvoller, "Back tot he Roots" zu gehen? Also: keine künstliche Reproduktion (weder Besamung noch Embryo-Transfer), weniger Hengste, weniger Pferde insgesamt, dafür angemessene Preise….